Jul 25 2018

24.07.2018: Beschwerde gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 04.07.

Von um 13:41 in Razzia wg. Bure

Wir legen Beschwerde gegen den Durchsuchungs- sowie Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Köln vom 04.07.2018 ein und beantragen festzustellen dass die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume und Nebenräume des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. sowie die Beschlagnahme des Datenbestandes einschließlich der auf den Server bezogenen Backups, Log- und Protokolldateien rechtswidrig waren.

Begründung

Bei Durchsuchungen i.S.d. § 103 StPO sind bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erhöhte Anforderungen zu beachten. Dies folgt daraus, dass die Durchsuchungen sowie die Beschlagnahme gerade nicht bei Beschuldigten erfolgt, sondern bei anderen Personen. Diese erhöhten Anforderungen erscheinen hier gänzlich unbeachtet geblieben zu sein.

Im Falle der beabsichtigten Durchsuchung bei anderen i.S.d. § 103 StPO ist die Möglichkeit der Einräumung der freiwilligen Herausgabe – Stichwort Abwendungsbefugnis – Usus. Die Möglichkeit zur freiwilligen Herausgabe wird, bevor eine Durchsuchung angeordnet wird, bei jedem „anderen“, sei er Zeuge oder sonstiger Dritter – verfügt und ist demnach gängige Praxis. Von dieser Praxis sind nur Abweichungen denkbar, wenn klare Indizien für eine Zusammenarbeit oder Verbindung mit den eigentlichen Beschuldigten bestehen. Scheinbar hat eine diesbezügliche Prüfung weder seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft, noch seitens des die Beschlüsse erlassenden Ermittlungsrichters zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.

Zudem bestehen derartige Indizien, die auf eine Verbindung oder gar Zusammenarbeit zwischen dem Wissenschaftsladen Dortmund e.V. und dem bisher unbekannten Täter, der die o.g. Dokumente veröffentlicht haben soll, schließen lassen könnten, auch ausdrücklich nicht. Dies wäre auch erkennbar gewesen, wenn der Versuch unternommen worden wäre, zu verstehen, wer oder was der Wissenschaftsladen Dortmund e.V. überhaupt ist.

Um ein solches Verständnis herzustellen sei nachfolgend kurz technisch vereinfacht dargestellt, welche Rolle der Wissenschaftsladen Dortmund e.V. im konkreten Fall überhaupt spielt. Verkürzt gesagt betreibt der Wissenschaftsladen Dortmund e.V. lediglich die Infrastruktur, das sog. Serverhousing. Dies bedeutet, dass der Wissenschaftsladen Dortmund e.V. gerade nicht selbst der Serveranbieter ist. Vielmehr leistet er die Möglichkeit zur Unterbringung sowie Netzanbindung von Kundenservern. Systemausfall hat somit die eigene Hardware – den Server – gestellt. Der Wissenschaftsladen Dortmund e.V. hat diesen in einem speziell konzipierten Raum (unterbrechungsfreie Stromversorgung, Klimatisierung usw.) in ein dort vorhandenes Rack „angesteckt“, bietet also lediglich den Steckplatz und den Strom sowie die Verbindung zum Internet.
Folglich erscheint es äußerst fraglich, aufgrund welcher Umstände eine Abwendungsbefugnis nicht eingeräumt wurde. Die angefochtenen Beschlüsse lassen diesbezügliche Ausführungen gänzlich vermissen. Ein denkbar milderes Mittel wäre offensichtlich die Einräumung der Abwendungsbefugnis gewesen. Der Vollzug der Beschlüsse hätte dann für den Fall der nicht freiwilligen Herausgabe und der nicht gebotenen Mitwirkung verfügt werden können. Der Vollzug des Beschlusses wäre sodann sozusagen aufschiebend bedingt gewesen. Zudem erscheint es fraglich, ob die Durchsuchung überhaupt dem Auffinden von Gegenständen, die einen unmittelbaren Bezug zum Ermittlungsverfahren ausweisen, dienen konnte.

Aus den vorangegangenen Ausführungen folgt bereits, dass der Wissenschaftsladen Dortmund e.V. im konkreten Fall lediglich die Infrastruktur, welcher sich Systemausfall.org bedient hat, zur Verfügung gestellt hat. Weiter hätte die Frage erörtert werden müssen, welche Rolle sodann Systemausfall.org zuzuschreiben ist. Systemausfall.org ist ein Projekt des gemeinnützigen Vereins Sense.Lab e.V. aus Rostock und ist gerade nicht im Langen August ansässig, sondern hat lediglich seinen Server im Wissenschaftsladen Dortmund e.V. untergestellt. Systemausfall.org ist ebenfalls lediglich Dienstleister und stellt im Rahmen dessen die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, um beispielsweise sichere E-Mail-Accounts zu erhalten, Inhalte veröffentlichen zu können usw. Dieser Dienste hat sich ein/e scheinbar bisher unbekannte/r Dritte/r bedient und die o.g. Dokumente veröffentlicht.

Um Dokumente aus dem Netz zu entfernen oder auf die Person zu schließen, die diese eingestellt hat, ist üblicherweise der Betreiber des Servers der erste Ansprechpartner. Dies wäre hier also Systemausfall.org bzw. Sense.Lab e.V. gewesen.

Es konnte schon allein aufgrund der fehlenden Nähe zu dieser unbekannten dritten Person nicht davon ausgegangen werden, dass Beweismittel, die einen unmittelbaren Bezug zum Ermittlungsverfahren haben, in den Räumlichkeiten des Wissenschaftsladens Dortmund e.V. hätten aufgefunden werden können. Vielmehr bestand lediglich eine schwindend geringe Wahrscheinlichkeit, dass auf dem Server noch sog. Log-Dateien sind, die auf die Person schließen lassen, die die Unterlagen unter der Nutzung von Systemausfall.org hochgeladen hat. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass auch diese nach einem nicht festgelegten recht kurzen Zeitfenster gelöscht werden und es denkbar unwahrscheinlich ist, dass der/die unbekannte Dritte/r derart verfahren ist, dass aus den Log-Dateien Rückschlüsse auf die Identität möglich sind. Aus dem fehlenden unmittelbaren Bezug zum Ermittlungsverfahren folgt, dass es besonderer Gründe, aus denen sich die Bedeutung der gesuchten Gegenstände für das Verfahren und die Rechtsfertigung des hier äußerst tiefgreifenden Eingriffs ergeben, hätten erörtert werden müssen.

Fraglich ist entsprechend der vorgenannten geringen Wahrscheinlichkeit bezüglich des Vorhandenseins von Log-Daten auch, ob überhaupt ein Durchsuchungszweck hätte angenommen werden können. Die fehlende Beweisbedeutung der gesuchten Daten macht die Durchsuchung insgesamt unzulässig.

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