Sep 17 2018

10.09.2018 Beschluss des Landgerichts Köln

Von um 13:45 in Razzia wg. Bure

In dem Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen „des Verdachts des Ausspähens von Daten pp.“ wurde vom LG Köln beschlossen dass unsere Beschwerde als unbegründet verworfen wird. Die Kosten des Verfahrens trägt der WiLaDo.

Die Beschwerde sei zulässig, aber unbegründet. Durchsuchung und Beschlagnahme seien rechtmäßig.

1. Zu der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung vom 04.07.

Die Durchsuchung der WiLa-Räume entspräche den Anforderungen der §§ 103, 105, 162 StPO. Die Beschlagnahme des Datenbestandes der IP-Adresse 91.204.5.84 entspräche den Anforderungen der §§ 94, 98, 162 StPO.

a) Der Beschwerdeführer sei der richtige Adressat der Anordnungen. Unerheblich sei, dass der WiLaDo nur das sog. Serverhousing betreibe. Durchsuchung und Beschlagnahme seien angeordnet worden, um Erkenntnisse zu den hinter der Webseite https://bure.systemausfall.org stehenden Personen zu gewinnen. Diese sei auf einem Server gehostet worden, der in den Räumen des WiLaDo betrieben wurde. Das Gesetz sehe vor, dass unter erhöhten Verhältnismäßigkeitsanforderungen auch Durchsuchungen bei nicht Beschuldigten erfolgen können.

b) Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung seien verhältnismäßig. Durchsuchungen stellten regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen dar. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei deshalb bei Anordnung und Durchführung der Maßnahme besondere Beachtung zu schenken. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein; das ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen (BVerfG NJW 2011, 2275; Beschl. v. 26.10.2011, 2 BvR 1 1774/10, Abs. 22 = BeckRS 2011, 56244; NJW 2008, 1937). Die Durchsuchung sei geeignet, Hinweise auf die Identität der hinter https://bure.systemausfall.org stehenden Personen zu geben. Insoweit verhalte es sich anders als bei der Durchsuchung beim Zwiebelfreunde e.V., welche das Landgericht München für rechtswidrig erklärt hatte. Die „Zwiebelfreunde“ hatten lediglich ein Spendenkonto zur Unterstützung eines Netzwerkes, bei dem die unbekannten Täter eine E-Mail-Adresse unterhielten, eingerichtet. Der WiLaDo habe hingegen durch das Serverhousing erst die Voraussetzungen für den Betrieb des betroffenen Servers geschaffen.

Die Durchsuchungsanordnung genüge auch den erhöhten Anforderungen an die Verhä1tnismäßigkeit. Insoweit sei insbesondere zu prüfen, ob der Betroffene zunächst zur freiwilligen Herausgabe des gesuchten Gegenstandes aufgefordert werden müsse (Abwendungsbefugnis). Wie das Amtsgericht in
seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend ausführe, müssse dem Beschwerdeführer eine Abwendungsbefugnis vorliegend nicht eingeräumt werden. Die auf https://bure.systemausfall.org veröffentlichten Dokumente enthielten u.a. Pläne eines im französisch-deutschen Grenzgebiet gelegenen Atomkraftwerkes. Vor dem Hintergrund des hiervon ausgehenden Gefährdungspotenzials für die Allgemeinheit sei die Durchsuchung der Räume und Beschlagnahme der Daten auch ohne vorheriges Herantreten an den Beschwerdeführer erforderlich und angemessen. Zudem berge die Einräumung einer Abwendungsbefugnis das Risiko der in kürzester Zeit möglichen Löschung oder Veränderung der auf dem Server gespeicherten Daten.

2. Zu der Sicherstellungsanordnung vom 12.07.

Die Sicherstellung Gegenstände entspräche den Anforderungen der §§ 94, 98, 110, 162 StPO.

Die Anordnung sei insgesamt verhaltnismäßig.

a) Ein milderes, gleich effektives Mittel als die Sicherstellung des gesamten Servergehäuses zur Beweissicherung sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei es nicht tunlich, nur den von systemausfall.org betriebenen Server sicherzustellen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen genüge es nicht, vier Schrauben zu lösen und die Festplatte abzuziehen, um den Server vom Gehäuse zu trennen. Nach der nachvollziehbaren Auskunft des Landeskriminalamtes vom 13.08.2018 (Bl. 318 ff. HA) sei es, da es sich um ein verschlüsseltes und zusätzlich virtualisiertes Linux-System handele, möglich, dass das System ohne die erforderliche komplette Hardware nicht mehr lauffähig sei. Um diesem Risiko vorzubeugen sei es erforderlich, das gesamte Gehäuse zu beschlagnahmen.

b) Die Sicherstellung der Aktenordner sei ebenfalls rechtmäßig. Unerheblich sei, ob es sich um „Datenbestand“ im Sinne des Beschlusses vom 04.07.2018 handele. Das Amtsgericht habe die Sicherstellung der Aktenordner in dem Beschluss vom 12.07.2018 ausdrücklich angeordnet.

Es stelle entgegen der Beschwerdebegründung kein milderes, gleich effektives Mittel zur Sachaufklärung dar, die hinter https://systemausfall.org stehenden Personen aus dem Impressum der Seite zu entnehmen. Das Impressum von https://systemausfall.org – sofern es korrekte Angaben enthält – ließe keine Rückschlüsse auf die Betreiber von https://bure.systemausfall.org zu. Es handele sich bei der Domain https://bure.systemausfall.org, auf der die illegal erlangten Dokumente veröffentlicht worden sind, um eine Sub-Domain, die unter einer anderen IP-Adresse als die Domain https://systemausfall.org betrieben werde. Da zu erwarten sei, dass der WiLaDo als Serverhoster die Kosten für die zur Verfügung gestellten Downloadfiles an den Betreiber der Domain (hier: https://bure.systemausfall.org) weiterleite, bestehe die Erwartung, dass sich in den Aktenordnern Rechnungen oder Korrespondenz befinden, anhand derer der Betreiber der Domain individualisiert werden könne. Sofern der WiLaDo die Ordner dringend für die eigene Buchführung benötige, wurde ihm in dem Beschluss ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, sich Kopien der Dokumente zu verschaffen.

c) Die Sicherstellung des USB-Sticks sei rechtmäßig. Laut Auskunft des Landeskriminalamtes vom 13.08.2018 bestehe weiterhin die Möglichkeit, dass der USB-Stick als „Schlüssel“ für das verschlüsselte Linux-System des Servers https://bure.systemausfall.org verwendet werden könne.

So beschlossen am 10.09.2018 von der 18. großen Strafkammer des Landgerichts Köln als Wirtschaftsstrafkammer durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht W., den Richter Dr. B. und die Richterin R.

Kommentare deaktiviert für 10.09.2018 Beschluss des Landgerichts Köln