Apr 19 2019

Der Groschen fällt langsam – aber er fällt – auch in Köln

Von um 18:27 in Razzia wg. Bure

(„K:“ = der Absatz ist ein Kommentar des WiLaDo.)

K: Im Folgenden dokumentieren und kommentieren wir den Rückzieher der Staatsanwaltschaft Köln bzgl. der weiteren Beschlagnahme der Server wegen strafrechtlicher Ermittlung. Der formalen Vollständigkeit halber folgt am Ende des Beitrags noch die zugehörige Kostenentscheidung des Landgerichts Köln.

Staatsanwaltschaft Köln, 04.04.2019

Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt
Beschwerdeverfahren Landgericht Köln 118 Qs 1/19

K: Der Richter am AG Köln hatte den Antrag der Staatsanwaltschaft Köln auf Verlängerung der Beschlagnahme der Server (von systemausfall und WiLaDo) zurückgewiesen [1]. Dagegen hatte die StA Köln Beschwerde eingelegt [2], worüber das Landgericht Köln zu entscheiden hatte (ebd.). Der Richter am LG Köln hatte nach eigener Auskunft (ebd.) erwogen, der Beschwerde der StA Köln stattzugeben. Seit die Stellungnahme unserer Rechtsanwältin dazu [3] am 5.3. 20019 nach Köln ging, vernahmen wir nichts mehr von dort – bis zum Gründonnerstag (18.4.2019), als das folgende Osterei in unserem kuscheligen Briefkastennest lag:

[…]
unter Bezugnahme auf Ihren Antrag auf Herausgabe der sichergestellten Asservate (Server u.a.) teile ich Ihnen mit, dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Köln vom 13.02.2019 (Az.: 506 GS 133/19) mit Verfügung vom heutigen Tage zurückgenommen worden ist.

K: Unser Flehen wurde also erhört!: Es ist ein weiterer „Lichtstrahl der Vernunft aus der behördlichen Bearbeitung des Kasus ‚https://bure.systemausfall.org/'“ [4] zu uns gedrungen! Der „schwarze Ritter“ hält inne! Erstes Ergebnis seiner offenbaren vorösterlichen Besinnung ist die Erkenntnis, dass es keinen strafrechtlich relevanten Grund mehr für die Beschlagnahme der beiden (verschlüsselten) Server gibt.

K: Wir wollen für dieses Festtagsgeschenk dankbar sein, und nicht kleinlich weiterhin darauf herumreiten, dass diese Erkenntnis durchaus schon vor dem maschinenpistolenhaltigen Polizeieinsatz am 4.7.2018 im L.A. [5] durch Lektüre [6] und eigenständiges Denken verfügbar war. (*)

K: Wir wissen nicht, was die „Wende von Köln“ (nach dem AG auch StA und LG) verursacht hat, aber wir begrüßen weiterhin, wenn dort Vernunft und vielleicht sogar noch Verhältnismäßigkeit wirken. Und weisen in guter Hoffnung weiterer Fortschritte auf unseren Fragenkatalog zur Aufklärung der u.E. verpeilten und (völlig) unverhältnismäßigen Ermittlungen hin [7].

Klarstellend weise ich darauf hin, dass die Asservate weiterhin auf Grundlage der gefahrenabwerrechtlichen Anordnung des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 05.07.18 (Az.: 42-62.17.08) sichergestellt sind.

K: Löschen der systemausfall-Platten und fertig hat die „Gefahr“, die vom (nach Rückgabe mglw. entschlüsselbaren) Inhalt der Platten ausgeht (nach Löschung: ausging). Korrekt wäre eine diesbezügliche Rücksprache mit systemausfall – aber die Betreiber des corpus delicti existieren für die Ermittlungen ja höchstens auf dem Papier, aber nicht als ansprechbare Entität.

Das LKA NRW sowie das mit den Ermittlungen betraute Polizeipräsidium Dortmund sind unter Hinweis auf Ihren Antrag gebeten worden in dortiger Zuständigkeit die Herausgabe der Asservate – ggf. nach Durchführung der angeregten Löschung der Daten – zu prüfen, nachdem die Beschlagnahme inzwischen nicht mehr auf strafpozessualer Grundlage erfolgt. Zuständig beim _Polizeipräsidium Dortmund_ ist das _KK ST 2_. Das dortige Aktenzeichen lautet 301000-159559-18/7.

K: Da fällt uns nur noch diese Schallplatte mit Sprung ein: „Welche Relevanz oder gar Kompetenz hat die Dorfmunder Polizei bzgl. französischer Industrie-Dokumente, die auf einem (verschlüsselten) Server eines (gemeinnützigen) Rostocker Vereins publiziert wurden?“

Mit freundlichen Grüßen
v. Lüdinghausen
Staatsanwalt

K: Und wir wünschen den treuen Leser*innen unserer Moritaten den Genuss des langen schönen (Klimagewinner-)Wochenendes. (Dabei nicht vergessen: Atomkraft ist keine Option für den Klimaschutz [8] !-)

(*) Die letzte noch vorstellbare Begründung für den Razzia-Blitzkrieg gegen den L.A., die zumindest eine rationale Anmutung hätte, wäre die Aussicht auf eine erfolgreiche Kaltstartattacke [9] des LKA-NRW-Cybercrime gegen den systemausfall-Server gewesen. Laut der (wenigen) uns bekannten Akten [10] ist dem LKA kein Knacken der Verschlüsselung der systemausfall-Platten gelungen, demnach war eine Kaltstartattacke nicht erfolgreich – oder wurde erst gar nicht versucht. Als das beschlagnahmte Servergehäuse am späten Abend des 4.7.2018 vom LKA abtransportiert wurde, hatte es keine Stromversorgung, d.h. eine Kaltstartattacke war fürderhin überhaupt nicht mehr möglich. Seit der Trennung vom Strom war ein Zugriff auf die Platteninhalte höchstens noch durch Kooperation mit den Betreibern realistisch erwartbar. Letzteres haben die Ermittlungsbehörden offenbar nie ernsthaft in Erwägung gezogen, sodass die Platten bereits am 4.7.2018 eine Relevanz = 0 hatten. Aber sie sorgen auch nach neun Monaten immer noch für Schwielen an Fingerkuppen und Augen der mit dem Thema Beschäftigten. Faszinierend;-)

[1] </2019/02/14/wir-bekommen-unsere-server-zurueck/>
[2] </2019/02/22/ist-der-schwarze-ritter-zu-stoppen/>
[3] </2019/03/31/05-03-2019-stellungnahme-zur-beschwerde-des-staatsanwalts/>
[4] </2019/02/19/die-spitze-des-eisbergs-ist-gekappt-der-eisberg-liegt-noch-im-dunkeln/>
[5] </2018/07/05/tag-der-offenen-tueren-schwer-bewaffnete-einbrecher-besetzen-den-langen-august-und-entwenden-server-aus-dem-wila-sic/>
[6] <https://systemausfall.org/wikis/hilfe/Datensicherheit#Verschl.2BAPw-sselung>
[7] </2019/02/19/die-spitze-des-eisbergs-ist-gekappt-der-eisberg-liegt-noch-im-dunkeln/#fragen>
[8] <https://www.ausgestrahlt.de/blog/2019/02/08/atomkraft-keine-option-klimaschutz/>
[9] <https://de.wikipedia.org/wiki/Kaltstartattacke>
[10] </2019/01/30/denkfreie-raeume/#verfügung-staatsanwalt>


Landgericht Köln

Beschluss

In dem Ermmittlungsverfahren

gegen unbekannt
wegen Verdachts des Ausspähens von Daten

hat die 18. große Strafkammer des Landgerichts Köln als Wirtschaftstrafkammer durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Wuttke, den Richter am Landgericht Dr. Buchwald und die Richterin am Landgericht Terdker

am 10.04.19

beschlossen:

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die in diesem Zusammenhang entstandenen notwendigen Auslagen des Wisschchaftsladen Dortmund e.V. trägt die Staatskasse.

Landgericht 18. große Strakammer als Wirtschaftsstrafkammer

Kommentare deaktiviert für Der Groschen fällt langsam – aber er fällt – auch in Köln