Nov 20 2019

28.10.2019: Beschluss des LG Köln: Beschwerde des LA ist unbegründet

Von um 16:00 in Razzia wg. Bure

Landgericht Köln

Beschluss

In dem Ermittlungsverfahren
gegen unbekannt
wegen Verdachts des Ausspähens von Daten pp.,

hat die 18. große Strafkammer des Landgerichts Köln als Wirtschaftsstrafkammer durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Wuttke, den Richter am Landgericht Dr. Buchwald und die Richterin am Landgericht Redeker am 28.10.2019 beschlossen:

1. Die Beschwerde des Vereins Langer August — Verein zur Förderung der politischen Bildung und der kulturellen Freizeitarbeit e.V., Braunschweiger Str. 22, 44145 Dortmund, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 25.09.2018 (Az. 506 Gs1778/18) wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

Gründe:

Die gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässigen Antrag des Beschwerdeführers auf. gerichtliche Entscheidung vom 13.08.2018 mit Beschluss vom 25.09.2018 Zu Recht zurückgewiesen.

Die am 04.07.2018 in dem Gebäude Braunschweiger Straße 22 in Dortmund („Langer August“) durchgeführte Ermittlungsmaßnahme hatte ihren Ursprung in einer europäischen Ermittlungsanordnung der französischen Justizbehörden, die eine Veröffentlichung von sicherheitsrelevanten Daten — u.a. Pläne von vier französischen Haftanstalten und Unterlagen zur Infrastruktur des Atomkraftwerks im elsässischen Fessenheim — im Internet auf der Website https://bure.systemausfall.org festgestellt hatten. Nach Lokalisierung der IP-Adresse stellte sich heraus, dass diese Daten auf einem Server gespeichert waren, der sich in den Räumlichkeiten des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. in dem Gebäude „Langer August“ befand. Vor diesem Hintergrund erließ das Amtsgericht Köln am 04.07.2018 im Hinblick auf die Geschäftsräume einschließlich sämtlicher Nebengebäude und Nebenräume des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. einen Durchsuchungsbeschluss gemäß §§ 103, 105, 162 StPO (Az. 506 Gs 1435/18) sowie im Hinblick auf den Datenbestand des vorstehend beschriebenen Servers einen Beschlagnahmebeschluss gemäß §§ 94, 98, 162 StPO (Az. 506 Gs 1436/18). Gegen diese Beschlüsse, die bereits Gegenstand des bei der Kammer anhängigen Beschwerdeverfahrens 118 Qs 9-11/18 waren, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss der Kammer vom 10.09.2018 (BI. 351ff. d.A.), der dem Beschwerdeführer aufgrund der von Seiten der Staatsanwaltschaft gewährten Akteneinsicht bekannt ist, Bezug genommen.

Durch die vorstehend beschriebene Ermittlungsmaßnahme vom 04.07.2018 ist der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt worden. Zwar weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, dass von dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 04.07.2018 lediglich die Räumlichkeiten des Wissenschaftsladens Dortmund e.V., in dem Gebäude „Langer August“ und nicht die Räumlichkeiten des Beschwerdeführers umfasst waren. Nach Aktenlage hat jedoch in den Räumlichkeiten des Beschwerdeführers keine Durchsuchung stattgefunden. Die Durchsuchung im Rechtssinne ist das Absuchen einer Person oder einer Sache nach einem Gegenstand, vorliegend mithin nach dem Server mit den hierauf gespeicherten Daten. Ausweislich des Durchsuchungsberichts des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 05.07.2018 (BI. 124ff. d.A.) und des Vermerks der Staatsanwaltschaft vom 17.07.2018 (B!. 238 d.A.) beschränkte sich die diesbezügliche Durchsuchung auf die Räumlichkeiten des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. im dritten Obergeschoss (vgl. Ziffer 5 des Berichts, BI. 126 d.A.). Allerdings war die Situation in dem Gebäude „Langer August“ nach Aktenlage dadurch gekennzeichnet, dass die auf den einzelnen Etagen vorhandenen Räumlichkeiten von verschiedenen Vereinen — u.a. dem Beschwerdeführer — genutzt wurden, ohne dass diese jeweils von außen dem jeweiligen Nutzungsberechtigten konkret zugeordnet werden konnten. Vor diesem Hintergrund mussten zur Identifizierung der Räumlichkeiten des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. auch andere in dem Objekt vorhandene Räume betreten werden. Auch dies ergibt sich aus dem Durchsuchungsbericht des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 05.07.2018, in dem es unter Ziffer 3. heißt: „Die Geschosse konnten nachträglich wie folgt zugeordnet werden: …“ (Hervorhebung durch die Kammer). Soweit in diesem Zusammenhang Räumlichkeiten des Beschwerdeführers im Erdgeschoss und im dritten Obergeschoss bzw. dem Dachboden betreten wurden, handelt es sich daher nicht um eine — von dem amtsgerichtlichen Beschluss nicht gedeckte — Durchsuchung. Gleiches gilt im Ergebnis für die mit Schriftsatz vom 13.08.2019 gerügte Durchsicht von zwei Aktenordnern mit Mietverträgen im Büro im Erdgeschoss des Beschwerdeführers, die — soweit ersichtlich — ebenfalls allein der Feststellung der räumlichen Zuordnung der Nutzungsverhältnisse innerhalb des Gebäudes diente. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den mit Schriftsatz vom 17.07.2019 vorgelegten Lichtbildern. Soweit hierauf teilweise geöffnete Schranktüren und eine teilweise aus einem Schrank herausragende Matte zu erkennen sind, steht dies der Darstellung des Berichts des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 05.07.2018, wonach auch andere Räume als diejenigen des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. betreten wurden, nicht entgegen. Vielmehr ist auch dieser Zustand zwanglos mit der Darstellung des Ermittlungsberichts in Einklang zu bringen, wonach die eingesetzten Polizeibeamten zwecks Zuordnung der Räume zu dem jeweiligen Mieter teilweise auch Gegenstände in die Hand nehmen und beispielsweise Aktenordner mit Mietverträgen durchsehen mussten.

Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, die Räumlichkeiten des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. hätten auch durch Befragen der vor Ort aufhältigen Personen, insbesondere des Vorstandsmitglieds des Beschwerdeführers Bartsch, lokalisiert werden können, führt dies ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Ausweislich des Durchsuchungsberichts des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 05.07.2018, dem der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht nicht entgegengetreten ist, wurde Herr Bartsch erst angetroffen, nachdem die unverschlossenen Räumlichkeiten im ersten und zweiten Obergeschoss bereits betreten und die verschlossenen Türen im dritten Obergeschoss bereits aufgebrochen worden waren. Weiterhin ist nicht ersichtlich, ob und inwieweit die im Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme in dem Gebäude anwesenden Personen zu einer Auskunft in der Lage und hierzu auch bereit gewesen wären. Das — allerdings auch erst ab 21:30 Uhr vor Ort anwesende — Vorstandsmitglied des Wissenschaftsladen Dortmund e.V., Frau Liebherr, verweigerte nach anwaltlicher Beratung jedenfalls die Aussage. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das Befragen von vor Ort befindlichen Personen zu einer zügigen und zuverlässigen Identifizierung der Räumlichkeiten des Wissenschaftslandens Dortmund e.V. geführt hätte, zumal aufgrund der Sicherheitsrelevanz der betreffenden Daten, deren Veröffentlichung bis zum Zeitpunkt der Trennung der Internetverbindung des in den Räumlichkeiten des Wissenschaftsladen Dortmund e.V. befindlichen Servers andauerte, ein besonderer Zeitdruck bestand. Die auf dem Server gespeicherten – und unter der Internetadresse https://bure.systemausfall.org verfügbaren Daten enthielten u.a. Pläne eines im französisch-deutschen Grenzgebiet gelegenen Kernkraftwerkes. Vor dem Hintergrund des hiervon ausgehenden Gefährdungspotenzials für die Allgemeinheit war das Betreten der Räume auch ohne vorherige Befragung der vor Ort anwesenden Personen erforderlich und angemessen.

Nach alledem war die Beschwerde daher als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

So beschlossen von den Richtern W., R. und Dr. B. am LG Köln am 28.10.19

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