Jul 18 2017

Teilerfolg: Norm für Stecker-Solaranlagen konnte zumindest entschärft werden

Von um 14:24 in Energie,WiLaSol

Zum Stand der Normung von Stecker-Solaranlagen und ein kleiner Einblick in das Normungsverfahren

Vorab: Nicht verunsichern lassen!

Unabhängig von den unten beschriebenen Normungsbemühungen für Stecker-Solaranlagen dürfen solche Anlagen auch jetzt schon an das Stromnetz angeschlossen werden. Wer bereits eine Stecker-Solaranlage betreibt (oder betreiben möchte) muss nicht auf eine Produktnorm für diese Anlagen warten. Nach verschiedenen Gutachten und Urteilen [1, 2] dürfen Netzbetreiber den Anschluss einer Stecker-Solaranlage über einen Schuko-Stecker nicht verbieten. Anwender sollten sich von Netzbetreibern nicht verunsichern lassen und sich z.B. auf pvplug.de informieren, wenn sie ein Schreiben erhalten, in dem mit rechtlichen Konsequenzen gedroht wird.

Norm für Stecker-Solaranlagen

Ende letzten Jahres berichteten wir [3] über den Normentwurf DIN VDE 0100-551-1 [4]. Genau genommen geht es uns aber nur um einen kleinen Teil dieser Norm. Denn die Norm bzw. Abschnitt 551 der Norm legt Anforderungen an alle möglichen Niederspannungsstromerzeugungseinrichtungen fest; d.h. für Stromerzeugungseinrichtungen mit einer Spannung bis 1000 V. Im Abschnitt 551.7.2 sind die normativen Anforderungen festgelegt, um zukünftig von Solarmodulen produzierten Strom in Endstromkreise einspeisen zu können.

Dass es nicht unbedingt sinnvoll ist, alle möglichen Stromerzeugungsanlagen mit kleinen Balkon-Solarmodulen in einen Topf zu werfen liegt auf der Hand. Deshalb hat die DGS (Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie) bereits Ende 2016 einen Antrag für die Erstellung einer eigenen Produktnorm für Stecker-Solar-Geräte gestellt.

Aber bis so eine Norm tatsächlich gültig wird, ist es ein langer Weg. Zunächst muss sich ein Normungsgremium dafür konstituieren. Dieses Gremium erstellt einen Entwurf, gegen den dann Einsprüche erhoben werden können. Diese Einsprüche werden beraten und ggf. im Normentwurf berücksichtigt. Gegen diesen überarbeiteten Normentwurf kann dann wiederum Einspruch eingelegt werden usw., bis alle Beteiligten im Konsens die Norm verabschieden. Wer sich an dem Normungsprozess beteiligen möchte, findet bei der DGS weitere Informationen [5]. (Die Standards im Internet entstehen übrigens nach einem ganz ähnlichen Verfahren [6].)

Der Normentwurf DIN VDE 0100-551-1 und das Einspruchsverfahren

So lange es keine spezifische Produktnorm für Stecker-Solaranlagen gibt, ist die DIN VDE 0100-551-1 anzuwenden. Schon im letzten Sommer wurde diese Norm überarbeitet und der neue Entwurf veröffentlicht. Wäre dieser Normentwurf unverändert geblieben, dann wäre es aufgrund der Anforderungen an das Leitungsnetz nicht mehr bezahlbar gewesen eine Stecker-Solaranlage zu betreiben. Deshalb rief die DGS dazu auf, gegen diesen Normentwurf Einspruch einzulegen. Wir haben über dieses Problem nicht nur berichtet, sondern sind auch dem Aufruf der DGS gefolgt und haben beim zuständigen Normungsgremium Einspruch eingelegt.

Normen werden von Gremien erarbeitet, deren Mitglieder sich freiwillig und ehrenamtlich an der Normungsarbeit beteiligen. Das bedeutet aber nicht, dass Normen von Privatleuten oder technischen Laien unentgeltlich erarbeitet werden. Üblicherweise schicken die am jeweiligen Thema interessierten Unternehmen und Organisationen ihre Fachleute in die Normungsgremien. Da Normen von Fachleuten für Fachleute verfasst werden, ist es für Laien alles andere als einfach sich in einen Normungsprozess einzumischen.

Damit auch Laien gegen den Entwurf der DIN VDE 0100-551-1 Einspruch einlegen konnten, hatte die DGS ein Webformular bereitgestellt. Das hat die Sache deutlich vereinfacht, so dass es über 300 Einsprüche gegen den Normentwurf gab.

Nachdem wir im Dezember über das Webformular unseren Einspruch eingereicht hatten passierte monatelang scheinbar gar nichts. Anfang Mai erhielten wir dann eine Mail vom DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik). Das ist die für ‚elektrische‘ Normen zuständige Organisation. Die Mail enthielt ein 22 Seiten langes pdf, in dem alle Einsprüche, Änderungsvorschläge und Vorabkommentare des Normungsgremiums tabellarisch aufgeführt waren. Außerdem wurden wir eingeladen an der offiziellen Einspruchsberatung am 29. Mai 2017 in München teilzunehmen.

Da es Aufgrund des DGS-Webformulars viele gleichlautende Einsprüche gab, bat die DKE die DGS stellvertretend für diese Einsprüche Experten zu der Einspruchsberatung zu senden. Dieser Bitte ist die DGS nachgekommen, so dass wir nur noch die DGS autorisieren mussten, uns bei der Einspruchsberatung in München zu vertreten. Wir hätten aber auch selber hinfahren können.

Gleich nach der Beratung (am 1.6.) schickte uns die DKE das Ergebnis der Einspruchsberatung – eine 33 Seiten umfassende Tabelle. Gegen dieses Beratungsergebnis hätten wir bis Ende Juni noch einmal Einspruch einlegen können.

Einige Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist, meldete sich die DGS noch einmal bei uns. Die DGS hatte sich entschlossen den Normentwurf vom 29.5. zu akzeptieren und bat, dass wir uns dieser Entscheidung anschließen. Das haben wir gemacht.

Ergebnis

Immerhin wurde durch die neue DIN VDE 0100-551-1 der rechtliche Graubereich, in dem sich Stecker-Solaranlagen bisher befanden, etwas aufgehellt. Durch die Norm ist es jetzt für Laien möglich Stromerzeugungseinrichtungen selbst in jedem Stromkreis anzuschließen. Es muss jedoch ein besonderer Stecker verwendet werden und die Anlage muss auch dem Netzbetreiber gemeldet werden.

Die von der DGS geforderte (und in anderen Ländern längst vorhandene) Bagatellgrenze von 2,6 A gibt es noch nicht. Mit der Zulassung einer Bagatellgrenze hätte das Normungsgremium seine Kompetenzen überschritten, denn dafür ist ein anderes Normungsgremium zuständig (das für elektrische Leitungen). Die DGS hat bereits eine Anfrage an das Leitungs-Gremium gestellt ob kurzzeitig höhere Belastungen möglich sind. Wenn das Leitungs-Gremium dies erlaubt, wäre eine Bagatellgrenze auch mit der neuen DIN VDE 0100-551-1 möglich.

Die Freigabe des Schukosteckers kann das DIN VDE 0100-551-1-Gremium erst nach Inkrafttreten einer Produktnorm „steckbare Stromerzeugungseinrichtungen“ erlauben, da ohne diese Produktnorm folgende Sicherheitslücke entstehen würde: Es könnten mehrere Wechselrichter an einem Schukostecker (z.B. mit Verteilersteckdosen) angeschlossen werden. In diesem Fall erlauben die bestehenden Normen eine Abschaltung in max. 5 Sekunden. Ein berührbarer Kontakt der bis zu 5 Sekunden unter Spannung steht, stellt aber ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar und verstößt gegen mehrere Normen.

All das geschieht für unsere Sicherheit. Manchmal ist es aber trotzdem sinnvoll, den eigenen Verstand einzuschalten und nicht blindlings allen Vorschriften zu folgen. Normen sind übrigens KEINE Gesetze. Niemand muss sich daran halten – aber es macht das Leben einfacher.

 

1 – <http://www.dgs.de/news/pressemeldungen/240517-stecker-solar-geraete-1755-mal-sicherer-als-kohlekraftwerke>
2 – <http://blog.greenpeace-energy.de/magazin/unternehmens-news/durchblick-im-dementi-dickicht>
3 – <http://www.wissenschaftsladen-dortmund.de/2016/12/19/photovoltaik-fuer-alle>
4 – Der vollständige Titel des Werks: E DIN VDE 0100-551-1:2016-09
Errichten von Niederspannungsanlagen, Teil 5-55: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Andere Betriebsmittel – Abschnitt 551: Niederspannungsstromerzeugungseinrichtungen – Anschluss von Stromerzeugungseinrichtungen für den Parallelbetrieb mit anderen Stromquellen einschließlich einem öffentlichen Stromverteilungsnetz
5 – <http://www.pvplug.de/unterstuetzen>
6 – <http://projekte.free.de/anarchismus-und-internet/A+I.midi.html#offene-standards>

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