Jul 04 2021

Kontaktschuld

Von um 22:50 in Corona und Coronoia

3 Jahre ist es nun her, dass wir das „Vergnügen“ hatten, als unbeteiligte Zeugen die Durchsuchung unserer Vereinsräume samt Beschlagnahme insb. von zwei Servern und Vereinsunterlagen zu erleben. Gerichte und eine kleine Anfrage im Landtag ergaben, dass diese Durchsuchung angemessen und erforderlich gewesen sein soll. Die „unbeteiligten“ Zeugen im Langen August hingegen erlebten ein ebenso absurdes wie traumatisierendes Atomstaatshappening, gegeben von einer halben Hundertschaft automatisch Bewaffneter, einem Rammbock, Feuerwehrhydraulik, Einschüchterungen und Freiheitsentzug usw. Die Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit der Inszenierung, die der nationalen Sicherheit Frankreichs [sic!] dienen sollte, werden nur noch vom Ermittlungsergebnis übertroffen: Null. (Details)

Durchsuchung und Beschlagnahmung erlebten gleich acht Zeugen am 29.06.2021. Obwohl sie nicht beschuldigt oder verdächtigt werden eine Straftat begangen zu haben, wurden von diesen Personen Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht, Handys und Computer beschlagnahmt. Ziel dieser staatlichen Maßnahmen war die Suche nach Beweismitteln gegen einen Amtsrichter. Dieser hatte im April per einstweiliger Anordnung verfügt, dass die Kinder an zwei Weimarer Schulen keine Masken im Unterricht tragen müssen. Aufgrund dieser Anordnung wird nun gegen den Richter wegen Rechtsbeugung ermittelt. Da bei der ersten Durchsuchung der Räume des Richters im April nicht die gewünschten Beweismittel gefunden wurden, gab es nun eine zweite Durchsuchungswelle.

Betroffen waren nicht nur der Richter, sondern auch die im Beschluss des Richters zitierten Sachverständigen, die Mutter welche das Verfahren angestossen hatte, deren Anwältin sowie ein weiterer Richter des Amtsgerichts Weimar. Dazu die Presseerklärung des Anwalts des beschuldigten Richters.

An solchen Grundrechtseingriffen stört sich (außer den Betroffenen selbst) kaum jemand. Eine öffentliche Debatte oder gar Empörung gibt es nicht. Das war vor drei Jahren schon so, hat sich aber durch den medialen Corona-Rummel massiv verstärkt. Alles was zählt – und dem alles untergeordnet werden muss – ist die Sicherheit vor einem Virus und seinen Mutanten.

Sicherheit !!! ?

Im Namen der Sicherheit wurde von der BRD-Regierung Erstaunliches geleistet. Das Infektionsschutzgesetz ist schließlich nicht das einzige Gesetz, welches seit dem letzten Jahr ohne große Diskussionen verabschiedet wurde. Kurze Fristen, Bundestagsdebatten und -abstimmungen zu obskuren Tageszeiten, kurzfristige aber massive Textänderungen vor der engültigen Verabschiedung, ignorieren von nicht genehmen Stellungnahmen – das ist die aktuelle Routine beim Verabschieden von Gesetzen. Auf diese Weise wurden – im Namen der Sicherheit – in den letzten Monaten sog. Freiheitsrechte eingeschränkt und die Befugnisse staatlicher Institutionen massiv erweitert. Wir haben einige davon zusammengestellt.

Ganz aktuell will die BRD-Regierung noch fix vor der Bundestagswahl eine Cybersicherheitsstrategie beschließen. Dazu ein Zitat aus der gemeinsamen Pressemitteilung von knapp 40 Verbänden, von der FIfF-Webseite:

Offener Brief an die Deutsche Bundesregierung zur Cybersicherheitsstrategie

PM vom 25.6.2021 – Gemeinsamer offener Brief von knapp 40 Verbänden, Firmen, Vereinen an die Bundesregierung veröffentlicht: „ […]
Im aktuellen Entwurf der Cybersicherheitsstrategie finden sich eine Reihe an Maßnahmen, die auf Kosten der IT- Sicherheit die Überwachung durch deutsche Sicherheitsbehörden vorantreiben. Dazu gehört zum Beispiel die „Entwicklung technischer und operativer Lösungen für den rechtmäßigen Zugang zu Inhalten aus verschlüsselter Kommunikation […]”, die Umgehung von sicherer Implementierung starker Verschlüsselung (lies: Hintertüren). Es handelt sich hierbei um eine Maßnahme, gegen die sich die deutsche Industrie, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik bereits 2019 in einem Offenen Brief ausgesprochen hat, weil sie ausländischen Nachrichtendiensten und Cyberkriminellen mehr nutzen würde als unseren Sicherheitsbehörden. Hinzu kommen die internationale Signalwirkung und die Auswirkungen für besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen, die so ein Vorhaben hätte.
[…]
Denn überhaupt fehlt der Strategie „gleichzeitige und entsprechende Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle“ sowie die wirksame juristische und administrative Kontrolle, bei Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Dass die Bundes- und Landesregierungen statt dem Ausbau der Überwachungsbefugnisse die Kontroll- und Schutzmaßnahmen stärken müssten, zeigte jüngst der Skandal um die Datensammlung von Politiker:innen durch den Verfassungsschutz in Sachsen.
[…]
Im Namen guter Regierungsführung und effektiver IT- und Cybersicherheitspolitik fordern die Unterzeichnenden die Bundesregierung dazu auf alle Maßnahmen, die den Ausbau von Überwachungsbefugnissen statt der Stärkung der IT-Sicherheit zum Ziel haben ersatzlos zu streichen – im aktuellen Entwurf vom 9. Juni 2021 betrifft das mindestens die Maßnahmen 8.3.1, 8.3.7, 8.3.8, 8.3.9, 8.3.11, 8.3.12, 8.3.14, 8.4.7.

Worum es bei dieser Cybersicherheitsstrategie genau geht, beschreibt zB heise: Cybersicherheit: Seehofer für Nutzung von Zero-Day-Exploits und für Hackbacks

Zum Ausbremsen von Sachverständigen eine weitere PM des FIfF (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.) vom 17.06.21:

Partizipationsimulation sofort beenden – Echte Demokratie braucht Zeit

Pressemitteilung vom 17.6.2021 zur Eingabe einer Stellungnahme zu Cybersicherheitsstrategie.

Am 9.6.2021 hat die Bundesregierung einen Entwurf der neuen Cybersicherheitsstrategie veröffentlicht und Verbände sowie zivilgesellschaftliche Organisationen um Kommentierung des 128 Seiten umfassenden Papiers in Form einer Stellungnahme bis zum 16.6.2021 aufgerufen (BMI 2021). Dabei enthält die Strategie mehr Kritikwürdiges, als sinnvoll in sieben Tagen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft dargelegt werden kann.

Die Einbeziehung der Gesellschaft in die politischen Entscheidungsprozesse ist in unserem Verständnis eine der Säulen demokratischer Politikkultur. Die zusehends kürzer werdenden Fristen, die seitens der Bundesministerien zivilgesellschaftlichen Organisationen eingeräumt werden, sind jedoch eine Zumutung und führen das Konzept „Partizipation“ ad absurdum. Wie schon im offenen Brief vom 18.12.2020 (FIfF et al. 2020) bemängelt, werden unmögliche Fristen für Gesetzesentwürfe zusehends zum politischen Standard. Verfahren mit prohibitiv kurzen Fristen, die gründliche Stellungnahmen praktisch unmöglich machen, sind keine „partizipativen Regierungsverfahren“; schlimmer noch, sie sind demokratieschädliche Partizipationssimulationen. Weiterlesen beim FIfF.

Beschwerden über die extrem kurzen Fristen für Stellungnahmen gab es bereits im Dezember 2020. Siehe: IT-Sicherheitsgesetz 2.0: „Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft“

Ein weiteres Gesetz zur Überwachung der Bevölkerung wird durchgepeitscht:

06.11.2020 TKG-Novelle: Bundesregierung drängt mit unfertigem Entwurf zur Eile

Berlin macht Tempo: Das neue Telekommunikationsgesetz ist im Kabinett immer noch umstritten, trotzdem sollen Länder und Verbände kurzfristig Stellung nehmen. https://www.heise.de/news/TKG-Novelle-Bundesregierung-draengt-mit-unfertigem-Entwurf-zur-Eile-4950855.html

Diese Tendenzen zu Überwachung und Kontrolle sind nicht neu, haben sich aber in den letzen Monaten massiv verschärft. Sie finden sich in allen möglichen Bereichen. Schon 2019 wurde zB zur Patienten“sicherheit“ das Implantateregister-Gesetz beschlossen. Es trat zum 01.01.2020 in Kraft. Wer ein darin aufgelistetes Implantat erhält, dessen umfangreiche Gesundheitsdaten werden gesammelt und der Forschung pseudonymisiert (nicht anonymisiert) zur Verfügung gestellt. Ein Widerspruch ist nicht möglich. https://patientenrechte-datenschutz.de/implantateregister-entzug-von-grundrechten

Das mag nur einige zehntausend Personen in der BRD betreffen, aber es gibt auch noch andere Projekte, an denen schon seit einigen Jahren gearbeitet wird, wie ID2020, dessen Ziel es ist, jedem Menschen auf dieser Erde eine biometrische digitale Identität zu verpassen. Digitale Impfausweise gehen genau in diese Richtung: https://www.heise.de/newsticker/meldung/ID2020-Blockchain-Ausweis-fuer-Milliarden-3751102.html

Die BRD-Regierung ist ebenfalls auf diesem Kurs. Im Frühjahr 2021 wurde beschlossen die Steuer-ID in eine lebenslang gültige Bürgernummer umzuwandeln. Unter dieser Bürgernummer werden personenbezogene Daten gesammelt, auf die rund 50 Behörden zugreifen können. https://www.datenschutz.org/buerger-identifikationsnummer

Am 7.11.2020 in Kraft getreten: Medienstaatsvertrag

Ein ganz wichtiger medienpolitischer Meilenstein. Er ist die Antwort der Länder als Mediengesetzgeber auf die Digitalisierung der Medienwelt,

sagt die Regierung.

Die Landesmedienanstalten sind jetzt auch für Webseiten „zuständig“, die der schwammigen Definition des § 19 Medienstaatsvertrag zum Opfer fallen: „journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien, in denen regelmäßig Nachrichten oder politische Informationen enthalten sind“.
Details zB bei telepolis https://www.heise.de/tp/features/Gute-Presse-schlechte-Presse-6060237.html

Kaum ist das designierte Wahrheitsministerium von der Leine gelassen, zeigen sich erste Flurschäden der autoritären Stümperei. Und zur Zukunft des Internet in der Morgenröte der Wahrheitsaufsicht heißt es:

[…] Verfassungsrechtlich ist das klar unzulässig. Wir sind jetzt im Internet in der Zeit vor dem preußischen Reichspreßgesetz von 1874, das die Presse vor polizeilichen Eingriffen schützen sollte.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=72874

Auch das Versammlungsrecht in NRW soll weiter verschärft werden:
https://www.nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de/

Ist wirklich ein Virus die Gefahr?

Denjenigen, die sich trotz alledem wegen der Viren sorgen, möchten wir die Webseiten des Praxiskolletivs Reiche21 aus Berlin empfehlen. Es gibt dort differenzierende wissenschaftliche Beurteilungen zu Sars-CoV2 und kritische Analysen der getroffenen Maßnahmen von praktizierenden Ärztinnen und Ärzten: https://www.praxiskollektiv.de/aktuell-corona-update

Einige aus dem Praxiskollektiv haben am 23.06.21 kritische Thesen zur Corona-Krise veröffentlicht: Der Verlust der Verhältnismäßigkeit

Umfangreiche Kritik an den Corona-Maßnahmen gibt es auch von Werner Rügemer und vielen MitunterzeichnerInnen: Öffentliche Erklärung zur Corona-Politik: Dauer-Desaster und enorme Schäden – Notwendige Konsequenzen vom 16.6.21

Zum guten Schluss haben wir für den Badesee (oder so) noch eine Lese-Empfehlung ganz ohne Viren. Trotzdem drängen sich Vergleiche mit den aktuellen Geschehnissen auf: „Der Atomstaat. Vom Fortschritt in die Unmenschlichkeit“ von Robert Jungk: https://jungk-bibliothek.org/der-atomstaat-und-seine-aktualitaet-heute

Bleib‘ kritisch!

Und noch mal zur Erinnerung: Personalausweise ohne Fingerabdruck gibt es nur noch bis zum 2. August 2021.

Kommentare deaktiviert für Kontaktschuld